Bis zum Inkrafttreten der Kindesrechtsrevision am 1. Januar 1978 konnten Männer sich der umfassenden Pflichten gegenüber einem ausserehelichen Kind elegant entziehen: Das alte Recht erlaubte es Vätern nämlich ganz legal, die offizielle Anerkennung eines unehelichen Kindes zu verweigern. Mittels einer Abmachung musste der Vater an die Mutter des Kindes lediglich eine monatliche Unterstützungszahlung leisten. Diese «Zahlvaterschaft» hatte einschneidende Folgen für das uneheliche Kind: Das Kind erhielt weder das Bürgerrecht noch den Namen des Vaters und wurde gegenüber diesem auch nicht erbberechtigt. Kurz: Es bestand kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Vater und Kind. Das Altrecht zeitigt bis heute Auswirkungen: In einem Entscheid vom 18. März 2024 hat das Bundesgericht erneut bestätigt: Das Kind eines altrechtlichen «Zahlvaters» ist kein Pflichterbe.
Ein «Zahlvater»-Sohn geht vor Bundesgericht
Der 1958 geborene Klaus A. ist das aussereheliche Kind von Hans G., der am 21. Juli 2017 verstorben ist. Hans G. verpflichtet sich in einem Vertrag mit der Vormundschaftsbehörde vom 31. Mai 1958, für den Unterhalt seines ausserehelichen Kindes monatlich 120 Franken zu bezahlen. Der «Zahlvater» hat noch zwei eheliche Kinder aus einer geschiedenen Ehe. Zu deren Gunsten errichtet er am 1. Mai 2015 ein Testament. Dazu kommen später noch ein Erbvertrag mit den beiden Kindern und die Gründung einer Stiftung.
Bei all dem bleibt der ausserehelich geborene Klaus A. aussen vor. Deshalb fordert Klaus A. am 7. März 2019 mit einer Klage gegen die erbenden Stiefgeschwister und die Stiftung beim Bezirksgericht Baden seinen Pflichtteil ein. Das Bezirksgericht und das Obergericht weisen die Klage ab. Der Fall gelangt ans Bundesgericht.
Ohne Anerkennung oder Vaterschaftsklage kein Erbe
Das revidierte Kindesrecht tritt am 1. Januar 1978 in Kraft. Bis dahin kann unter dem alten Recht das rechtliche Kindesverhältnis eines ausserehelich geborenen Kindes zu seinem Vater nur auf zwei Wegen hergestellt werden: Mittels Anerkennung durch den Vater oder mittels einer Klage der Mutter oder des Kindes auf Anerkennung mit Standesfolge. Eine solche Klage war allerdings nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, nämlich wenn der Vater «der Mutter die Ehe versprochen, oder sich mit der Beiwohnung an ihr eines Verbrechens schuldig gemacht oder die ihm über sie zustehende Gewalt missbraucht hat» (Artikel 323 altes ZGB).
Bei Klaus A. gibt es weder eine Anerkennung durch den Vater noch eine Vaterschaftsklage.
Bundesgericht bestätigt die bisherige Rechtsprechung
Das Bundesgericht bestätigt im Fall von Klaus A. seine bisherige Rechtsprechung: Die altrechtliche «Zahlvaterschaft» begründet kein gesetzliches Erbrecht und damit auch kein Pflichtteilsrecht. Der gesetzliche Erbanspruch setzt ein rechtliches Kindesverhältnis voraus, das bei der «Zahlvaterschaft» nicht vorhanden ist. Deshalb weist das Bundesgericht die Beschwerde des ausserehelich geborenen Klaus A. gegen die Klageabweisung der Vorinstanzen ab (Bundesgerichtsentscheid 5A_238/2023 vom 18. März 2024).
«Zahlväter» können ihr Kind anerkennen und so zum Erben berechtigen
Es ist nie zu spät: Altrechtliche «Zahlväter» können ihr Kind jederzeit formell anerkennen und damit erbberechtigt machen. Die Anerkennung kann sogar erst im Testament erfolgen.
Bundesgericht: Kinder von «Zahlvätern» erben nicht
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