Eine Ärztin hat sich mit der Abgabe des Mittels Natrium-Pentobarbital an eine suizidwillige Person entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft keines Tötungsdelikts schuldig gemacht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch der Ärztin vom Tötungsdelikt ab. Die Beschwerde der Ärztin gegen ihre Verurteilung wegen mehrfacher Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte HMG sowie gegen das basellandschaftliche Gesundheitsgesetz heisst das Bundesgericht dagegen gut.
Das ist passiert
In ihrer Anklage von 2018 warf die Staatsanwaltschaft einer Ärztin und Sterbebegleiterin vor, 2016 eine Frau zumindest eventualvorsätzlich getötet zu haben, ohne dass sie zuvor ein psychiatrisches Fachgutachten über die Urteilsfähigkeit der sterbewilligen Frau eingeholt habe. Die Ärztin habe der Betroffenen das tödlich wirkende Mittel Natrium-Pentobarbital verschrieben und die Infusion gesetzt. Die Zufuhr des tödlichen Mittels soll die Sterbewillige allerdings selbst ausgelöst haben.
Zudem habe die Ärztin von Oktober 2013 bis Juni 2017 ohne Bewilligung in mehreren Fällen unbeschriftete Natrium-Pentobarbital-Dosierungen bezogen, bei sich gelagert und in der Folge mehreren sterbewilligen Personen abgegeben. Das Strafgericht Basel-Landschaft und später das Kantonsgericht sprachen die Ärztin wegen mehrfacher Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte HMG sowie gegen das basellandschaftliche Gesundheitsgesetz schuldig. Das Kantonsgericht verurteilte sie zu einer Busse von 10'000 Franken. Von der Anklage der vorsätzlichen, eventualiter fahrlässigen Tötung wurde sie vom Kantonsgericht freigesprochen.
Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch vom Tötungsdelikt
Die Staatsanwaltschaft erhebt beim Bundesgericht Beschwerde gegen den Freispruch der Ärztin vom Tötungsdelikt: Das Urteil sei abzuändern und die Ärztin wegen vorsätzlicher Tötung, eventualiter wegen (untauglich) versuchter Tötung oder eventualiter wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen.
Das Bundesgericht weist die von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde ab. Begründung: Das Kantonsgericht ging bei seinem Entscheid davon aus, dass die sterbewillige Frau bei der Durchführung des Suizids urteilsfähig gewesen sei. Die von der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang erhobenen sachverhaltlichen Rügen sind unbegründet. Deshalb kann auf das Begehren der Staatsanwaltschaft, die Ärztin wegen (eventual-)vorsätzlicher, eventualiter wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, a priori nicht eingetreten werden. Als unbegründet erweist sich auch der Antrag um Verurteilung der Frau wegen (untauglich) versuchter Tötung.
Beschwerde der Ärztin gegen Busse wegen Heilmittelgesetz-Widerhandlungen
Die Ärztin erhebt Beschwerde gegen die Busse von 10'000 Franken wegen Widerhandlungen im Bereich des Heilmittelrechts. Das Bundesgericht heisst die von der Ärztin erhobene Beschwerde gut und weist die Sache zur Neubeurteilung ans Kantonsgericht zurück.
Begründung: Das Bundesgericht hat in einem anderen Fall unlängst entschieden, dass in Bezug auf die Abgabe von Natrium-Pentobarbital die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes BetmG denjenigen des HMG grundsätzlich vorgehen, wobei es die Frage der therapeutischen Verwendung von Natrium-Pentobarbital offengelassen hat (Urteil 6B_646/2020, Medienmitteilung vom 9. Dezember 2021). Das Kantonsgericht wird zunächst ergänzend abklären müssen, ob die betroffenen, sterbewilligen Personen an einer psychischen oder physischen Krankheit gelitten haben oder nicht. Falls das Betäubungsmittelrecht anzuwenden wäre, hat es zusätzlich zu klären, ob verfahrensrechtlich eine neue rechtliche Beurteilung noch möglich wäre und ob das vorgeworfene Verhalten von der Betäubungsmittelgesetzgebung erfasst wird.
Quelle: Bundesgerichtsurteil 6B_1087/2021