Der Bundesrat will die Autonomie älterer Menschen und das Wohnen im eigenen Zuhause fördern. Er schlägt für Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen zur Altersrente Betreuungsleistungen vor, die im Rahmen der Krankheits- und Behinderungskosten vergütet werden sollen. Die dafür notwendige Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung ist bis zum 23. Oktober 2023 in der Vernehmlassung. Lesen Sie wie das funktionieren soll und was es kosten wird.
Riesiges Wachstum der älteren Bevölkerung
Bis 2040 wird die Zahl der über 65-Jährigen voraussichtlich um die Hälfte zunehmen. Die Zahl der über 80-Jährigen dürfte sich fast verdoppeln. Für die Betreuung und Pflege älterer Menschen ist diese rasche Zunahme eine grosse Herausforderung.
Rund ein Drittel der Personen, die in einem Alters- und Pflegeheim leben, benötigt weniger als eine Stunde Pflege pro Tag. Der Eintritt dieser wenig pflegebedürftigen Menschen in ein Pflegeheim lässt sich verzögern oder sogar vermeiden, wenn ältere Menschen in einer altersgerechten Wohnung leben und Spitexleistungen beziehen können. Zumal ältere Menschen überwiegend sowieso so lange wie möglich selbstbestimmt wohnen wollen. Sie benötigen dabei aber nicht nur gesundheitsbedingte Unterstützung. Hilfe und Betreuung im Haushalt und beim Einkaufen sowie Mahlzeitendienste oder eine sichere Umgebung zur Sturzprävention ermöglichen es älteren Menschen, länger selbständig im eigenen Zuhause zu wohnen.
Das sind die vorgesehenen neuen Leistungen
Deshalb will der Bundesrat das Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung ELG anpassen. Hintergrund dieser Änderung sind die Motion der Kommission für soziale Sicherheit des Nationalrats «Ergänzungsleistungen für betreutes Wohnen» sowie die Ergebnisse einer vom Bundesamt für Sozialversicherungen in Auftrag gegebenen Studie «Betreutes Wohnen- Aktualisierte Grundlagen» und deren Zusammenfassung «In die Alterswohnung statt ins Heim?».
Die Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sieht Betreuungsleistungen vor, die das selbständige Wohnen zuhause oder in einer institutionalisierten betreuten Wohnform fördern. Es sollen folgende Leistungen im Rahmen der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten durch die Ergänzungsleistungen berücksichtigt werden:
- ein Notrufsystem
- Haushalthilfe
- Mahlzeitendienst
- Fahr- und Begleitdienste
- die Anpassung der Wohnung an die Bedürfnisse des Alters
- ein Mietzuschlag für eine altersgerechte Wohnung
Zuschlag für Nachtassistenz und für die Miete einer rollstuhlgängigen Wohnung
Der Bundesrat nutzt zudem die Gelegenheit, um mit der Vorlage für die Gesetzesänderung zwei ergänzungsleistungsspezifische Situationen zu verbessern: Einerseits sollen Ergänzungsleistungsbeziehende mit einem Assistenzbeitrag Anspruch auf einen Zuschlag für die Miete eines zusätzlichen Zimmers für eine Nachtassistenz erhalten. Andererseits soll der Zuschlag für die Miete einer rollstuhlgängigen Wohnung anders auf die Haushaltsmitglieder aufgeteilt werden: Bisher wurde dieser Betrag durch die Anzahl aller im Haushalt lebenden Personen geteilt, was Personen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind und in einer Wohngemeinschaft leben, benachteiligt. Künftig wird der Betrag nur bei der Berechnung der Person berücksichtigt, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Wenn mehrere Personen auf einen Rollstuhl angewiesen sind und zusammenleben, soll pro Wohnung jedoch nur ein Zuschlag gewährt werden.
Mehrkosten und Kostenentlastung für die Kantone
Die Kosten für die Ergänzungsleistungen werden zu fünf Achtel vom Bund und zu drei Achtel von den Kantonen getragen. Die Vergütung der Krankheits- und Behinderungskosten hingegen geht vollumfänglich zulasten der Kantone. Weil die Betreuungsleistungen im Rahmen der Krankheits- und Behinderungskosten vergütet werden, fallen für das betreute Wohnen im Jahr 2030 geschätzte Kosten von mindestens 227 bis maximal 476 Millionen Franken bei den Kantonen an. Durch die verzögerten Heimeintritte ergeben sich für die Kantone jedoch auch Einsparungen in der Höhe von schätzungsweise 279 Millionen Franken im Jahr 2030.