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Pfleger-und-PatientinMedizinalpersonen wie Pflegerinnen oder Pfleger, aber auch Ärztinnen oder Ärzte, bauen zuweilen während vieler Jahre ein grosses Vertrauensverhältnis zu Patientinnen oder Patienten auf. Da kommt es vor, dass Patientinnen oder Patienten glauben, die Medizinalperson erbringe ihre Dienste als Freund oder sogar aus Liebe. Erfolgt dann seitens der Patientin oder des Patienten eine grosse Schenkung oder eine erbliche Begünstigung im Testament muss die Medizinalperson die Patientin oder den Patienten klar und deutlich darüber aufklären, dass die pflegerischen oder medizinischen Dienste im Rahmen eines entgeltlichen Dienstleistungsvertrags und nicht aus Freundschaft oder Liebe erfolgen. Entfällt diese unmissverständliche Aufklärung, ist die Medizinalperson «erbunwürdig». Lesen Sie Einzelheiten dazu.

Das ist der Fall

Laut dem Bundesgerichtsurteil 5A_993/2020 vom 2. November 2021 hat eine Thurgauer Rentnerin 1997 einen Mann angestellt, der sie bis zu ihrem Tod 17 Jahre lang zu Hause pflegte. 2009 wird er zudem ihr amtlicher Beistand, 2013 Generalbevollmächtigter und 2014 Vorsorgebeauftragter. Die Frau vermachte dem Pfleger im Testament ihre wertvolle unbelastete Liegenschaft.
Nach dem Tod der Frau im Jahr 2015 klagte der Pfleger gegen die übrigen Erben und verlangte, das ihm von der Verstobenen testamentarisch vermachte Haus sei auf ihn zu überschreiben. Das Bezirksgericht Kreuzlingen TG und das Obergericht des Kantons Thurgau wiesen die Klage ab. Begründung: Der Pfleger ist «erbunwürdig».

Das sind Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht bestätigt das Urteil und erwägt namentlich: Die verstorbene Gepflegte sei von der falschen Vorstellung ausgegangen, dass der Pfleger ihr Freund sein wolle. In Wahrheit sei sie aber von ihm abhängig gewesen. Der Pfleger habe dies ausgenützt und sei deshalb nicht erbwürdig. Aufgrund des ausserordentlichen Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnisses wäre der Pfleger spätestens, als er Kenntnis von seiner erbrechtlichen Begünstigung erhielt, verpflichtet gewesen, die von ihm betreute Frau darüber aufzuklären, dass er seine Dienstleistungen als amtlich eingesetzter Beistand sowie im Rahmen eines entgeltlichen Dienstleistungsvertrags und nicht auf der Grundlage eines Freundschaftsverhältnisses oder sogar aus Liebe erbringe.

Das ist die hier angewandte gesetzliche «Erbunwürdigkeit»
Die in diesem Fall von den Gerichten für den Pfleger angewandte «Erbunwürdigkeit» ist in Artikel 540 Zivilgesetzbuch ZGB wir folgt definiert: «Unwürdig, Erbe zu sein oder aus einer Verfügung von Todes wegen irgendetwas zu erwerben, ist: Wer den Erblasser durch Arglist, Zwang oder Drohung dazu gebracht oder daran verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder zu widerrufen.» Zum Zuge kommt hier die Arglist: Der von der betreuten Person testamentarisch begünstigte Pfleger hat es vorsätzlich unterlassen, die Erblasserin darüber aufzuklären, dass er seine Dienste entgeltlich aufgrund des abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags erbringt und nicht aus Freundschaft oder Liebe.



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