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Aerztin-vor-BundesgerichtFrau Dr. med. K. A. betreibt in U. als Selbstständigerwerbende eine Arztpraxis für Tropen-, Reise- und Hausarztmedizin. Sie verdient im Vor-Corona-Jahr 2019 ein Jahreseinkommen von 165'000 Franken. Am 16. April 2020 meldet sie sich bei der Ausgleichskasse «medisuisse» zum Bezug einer Erwerbsausfallentschädigung im Zusammenhang mit den Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus an. Sie macht geltend, aufgrund der vom Bundesrat angeordneten Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus sei ihr Umsatz im Bereich Tropen- und Reisemedizin um 100 Prozent und in der Hausarztmedizin auf 20 Prozent zurückgegangen. Die Ausgleichskasse verneint einen Leistungsanspruch, da die vom Bundesrat verordneten Betriebsschliessungen, welche Bedingung für einen Erwerbsersatz bilden, Gesundheitseinrichtungen wie Arztpraxen nicht beträfen, und auch die Voraussetzungen für eine "Härtefallleistung für Selbständigerwerbende" nicht erfüllt seien. Die Beschwerde der Ärztin an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bleibt erfolglos. Der Fall gelangt mit einer weiteren Beschwerde ans Bundesgericht. Auch dort blitzt die Ärztin ab. Weshalb?

Voraussetzungen für den indirekten Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz
Das Bundesgericht erwägt im Urteil 9C_132/2021 vom 15. September 2021 sinngemäss: Gemäss Artikel 2, Absätze 3 und 3bis, der bundesrätlichen "Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall" in ihrer vom 17. März bis zum 16. September 2020 geltenden Fassung haben Selbstständigerwerbende Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz als direkt Betroffene, wenn sie wegen der vom Bundesrat angeordneten Betriebsschliessungen oder Veranstaltungsverboten ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen mussten. Selbstständigerwerbende, welche nicht unter diese Bestimmung fallen, haben im Sinne einer Härtefallregelung nur indirekten Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz. Für diesen indirekten Härtefallanspruch braucht es zwei Voraussetzungen: Ersten muss ein Einkommensausfall nachgewiesen werden. Zweitens muss das Vor-Corona-Jahreseinkommen im Jahr 2019 zwischen 10'000 und höchstens 90'000 Franken gelegen haben.

165'000 Franken Vor-Corona-Jahreseinkommen sind zuviel für eine Entschädigung
Im konkreten Fall ist unbestritten, dass die betroffene Ärztin ihre Praxis ab dem 17. März 2020 grundsätzlich weiterführen konnte und dass sie 2019 mit 165'000 Franken ein Vor-Corona-Jahreseinkommen von weit über 90'000 Franken erzielte. Ergo: Die Ärztin erfüllt die Voraussetzungen für den indirekten Anspruch auf eine Corona-Entschädigung klar nicht.

Kein Raum für eine bundesgerichtliche Lückenfüllung der bundesrätlichen Regelung
Entgegen der vor Bundesgericht von der Ärztin vorgebrachten Auffassung ist die bundesrätliche Regelung nach Auffassung des Gerichts nicht lückenhaft. Eine Auslegung der fraglichen Bestimmungen ergibt vielmehr, dass der Bundesrat als Verordnungsgeber bewusst nur zwischen zwei Kategorien von Selbstständigerwerbenden unterscheiden wollte und mit dem direkten und dem indirekten Anspruch auf Erwerbsersatz eine abschliessende Regelung getroffen hat. Eine Absage erteilt hat der Bundesrat namentlich einer umfassenden Abdeckung aller geforderten Entschädigungen mittels A-fonds-perdu-Beiträgen. Im Ergebnis bleibt deshalb kein Raum für eine bundesgerichtliche Lückenfüllung.

Jahreseinkommensobergrenze von 90'000 Franken ist nicht willkürlich
Mit Blick auf den vorliegenden Fall der beschwerdeführenden Ärztin verstossen die fraglichen Regelungen weder gegen das Gebot der Rechtsgleichheit, noch erweisen sie sich als willkürlich. Was insbesondere die Einkommensobergrenze von 90'000 Franken für indirekt Betroffene Selbständigerwerbende angeht, so sind solche Schwellenwerte im Schweizer Sozialversicherungsrecht nicht ungewöhnlich. Die gezogene 90’000-Franken-Grenze ist laut dem Bundesgericht im Gesamtkontext tauglich, um einen Härtefall zu definieren. Überdies liegt auch keine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit vor.



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