Heute können in Ausnahmefällen Arzneimittel vergütet werden, die nicht auf der Liste der über 3200 kassenpflichtigen Medikamente stehen. Die Vergütung erfolgt nach einer Einzelfallprüfung durch die Krankenkasse. Das führt bei einem positiven Ergebnise der Prüfung zu einem von der Krankenkasse vergüteten «Off-Label-Use» des Medikaments. In den letzten Jahren haben immer mehr Patientinnen und Patienten von dieser Möglichkeit profitiert, zum Beispiel bei neuen Krebstherapien. 2019 waren es 38'000 behandelte Gesuche. Um den gleichen Zugang für alle Patientinnen und Patienten zu optimieren, will «curafutura», der Krankenkassenverband der CSS Versicherung, Helsana, Sanitas und KPT, zusammen mit der Swica im Jahr 2022 eine für alle Versicherer offene Online-Plattform für den einheitlichen Einsatz von noch nicht kassenpflichtigen Medikamenten lancieren. Lesen Sie die Einzelheiten dazu.
Patientinnen und Patienten profitieren immer mehr vom «Off-Label-Use»
Patienten profitieren immer mehr von Medikamenten, die von den Krankenkassen nicht automatisch vergütet werden. Entweder ist das Medikament neu auf dem Markt und es wurde noch nicht über die Kassenzulässigkeit entschieden. Oder es handelt sich um ein Medikament, das neu zusätzlich für ein anderes Krankheitsbild eingesetzt werden soll. Damit ein Krankenversicherer solche Arzneimittel im Rahmen eines «Off-Label Use» vergüten kann, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Unter anderem gilt es, die Wirksamkeit, die Sicherheit sowie das Kosten-Nutzen Verhältnis des Medikaments zu überprüfen. Heute macht jede Krankenkasse solche aufwendigen Prüfungen für sich allein. Das ist nicht wirtschaftlich.
Gemeinsame Online-Plattform für alle Versicherer
Künftig wollen die «curafutura»-Mitglieder CSS, Helsana, Sanitas und KPT und zusätzlich die Swica ihre Studienratings für die nicht oder noch nicht kassenpflichtigen Medikamente konsolidieren und deren Bewertungen auf einer gemeinsamen Online-Plattform verfügbar halten. Die Plattform soll 2022 lanciert werden und allen interessierten Versicherern offenstehen.
Die neue Datenbank sorgt dafür, dass die klinische Beurteilung bei einer bestimmten Ausgangslage für alle Patientinnen und Patienten gleich ist. Darüber hinaus ist die Analyse breit abgestützt dank der Zusammenarbeit der vertrauensärztlichen Dienste. Damit wird für die betroffenen Medikamente eine ausgewogene und objektive Bewertung auf Basis klinischer wissenschaftlicher Publikationen gewährleistet. Das erhöht das Vertrauen in die Einzelfallvergütungen.
Zugang zu neuen Medikamenten so rasch wie möglich
Die Einzelfallvergütung von nicht oder noch nicht kassenpflichtigen Medikamente ist nicht die Regel. Sie ist jedoch ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten so rasch wie möglich Zugang zu neuen Behandlungen erhalten. Um von den Krankenkassen regulär vergütet zu werden, muss ein Medikament zunächst von der Swissmedic geprüft und für den Schweizer Markt zugelassen werden. Erst in einem zweiten Schritt wird es dann vom Bundesamt für Gesundheit BAG in die Spezialitätenliste aufgenommen. Bis zur Zulassung eines neuen Medikaments und der Aufnahme in die Spezialitätenliste vergeht deshalb stets einige Zeit.
Vergütung im Einzelfall soll Ausnahmelösung bleiben
In den letzten Jahren hat die Kostenübernahme von Arzneimitteln ohne Zulassung und ausserhalb der regulären Kassenpflicht stark zugenommen: Die Anzahl der Gesuche ist zwischen 2017 und 2019 von 26’000 auf 38'000 gestiegen. Davon werden 80 Prozent vergütet. Dies ist zwar insofern positiv, als damit den Patientinnen und Patienten ein schnellerer Zugang zu wirksamen Behandlungen ermöglicht wird.
Gleichzeitig kommt es aber auch vor, dass Medikamentenhersteller davon absehen, die Zulassung und die Aufnahme in die Spezialitäten zu beantragen. Für die Hersteller kann es nämlich finanziell attraktiver sein, wenn ein Arzneimittel nicht automatisch, sondern von Fall zu Fall erstattet wird. Diese Strategie widerspricht der Intention des «Off-Label-Use» von Medikamenten. Denn die Einzelfallübernahme soll nur vorübergehend oder ausnahmsweise erfolgen, bis ein Medikament zugelassen und regulär kassenpflichtig ist.
Missbrauch des «Off-Label-Use» von Medikamenten durch Hersteller bekämpfen
Um den Missbrauch des «Off-Label-Use» von Medikamenten durch die Hersteller zu bekämpfen, fordert «curafutura», dass die Krankenklassen das Recht erhalten, die Zulassung und die Aufnahme eines Medikaments in die Spezialitätenliste zu beantragen. Dieses Recht haben derzeit allein die Medikamentenhersteller.