Anfrage von Dr. med. K. I. in B.: «Ich hatte einen schweren Unfall und bin nun leider im Rollstuhl und arbeitsunfähig. Mein letztes AHV-pflichtiges Jahreseinkommen als ganztägig tätiger Arzt beläuft sich auf 220'000 Franken. Bei der Pensionskasse habe ich aber nur einen Lohn von 150'000 Franken versichert. Wie sich nun herausstellt, erreichen meine Rentenansprüche bei der Invalidenversicherung, bei der Unfallversicherung und bei der Pensionskasse zusammen mit den Kinderrenten für meine vier Kinder mehr als 150'000 Franken pro Jahr. Deshalb will mir nun meine Pensionskasse die von ihr zu bezahlende Rente mit der Begründung «Überentschädigung» so kürzen, dass meine jährliche Gesamtrente von allen Sozialversicherungen nur den Betrag von 135'000 Franken erreicht. Das sind 90 Prozent des bei der Pensionskasse versicherten Lohns. Ist das korrekt?»
Grundsatz der «Überentschädigung»
Im Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ist in Artikel 69 der Grundsatz der «Überentschädigung» wie folgt geregelt:
- Das Zusammentreffen von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen darf nicht zu einer Überentschädigung der berechtigten Person führen. Bei der Berechnung der Überentschädigung werden nur Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung berücksichtigt, die der anspruchsberechtigten Person auf Grund des schädigenden Ereignisses gewährt werden.
- Eine Überentschädigung liegt in dem Masse vor, als die gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen den wegen des Versicherungsfalls mutmasslich entgangenen Verdienst zuzüglich der durch den Versicherungsfall verursachten Mehrkosten und allfälliger Einkommenseinbussen von Angehörigen übersteigen.
- Die Leistungen werden um den Betrag der Überentschädigung gekürzt. Von einer Kürzung ausgeschlossen sind die Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung und der Invalidenversicherung sowie alle Hilflosen- und Integritätsentschädigungen. Bei Kapitalleistungen wird der Rentenwert berücksichtigt.
Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge BVG präzisiert den Grundsatz der «Überentschädigung
Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge BVG präzisiert den Grundsatz der «Überentschädigung» in Artikel 34a unter dem Titel «Koordination und Vorleistung»:
- Die Vorsorgeeinrichtung kann die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen kürzen, soweit diese zusammen mit anderen Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung sowie weiteren anrechenbaren Einkünften 90 Prozent des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen.
- Der Bundesrat regelt die anrechenbaren Leistungen und Einkünfte sowie den mutmasslich entgangenen Verdienst.
Die Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge BVV 2 definiert den «mutmasslich entgangene Verdienst»
Die Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge BVV 2 definiert in Artikel 24 den «mutmasslich entgangene Verdienst» bei einer «Überentschädigung wie folgt: «Der mutmasslich entgangene Verdienst entspricht dem gesamten Erwerbs- oder Ersatzeinkommen, das die versicherte Person ohne das schädigende Ereignis mutmasslich erzielen würde.»
Fazit aus unserer Analyse
Entscheidend bei der Berechnung der «Überentschädigung» aus der Summe der Renten ist das letzte AHV-pflichtige Jahreseinkommen vor dem Unfall. Denn das ist das Erwerbseinkommen, das die verunfallte Person ohne Unfall mutmasslich erzielen würde. Im vorliegenden Fall kann die Pensionskasse die von ihr geschuldete Rente mithin erst kürzen, wenn die Summe aller Renten 90 Prozent vom letzten AHV-pflichtigen Jahreseinkommen als ganztägig tätiger Arzt von 220'000 Franken übersteigt: Das sind 198'000 Franken. Oder: Bis zu einer jährlichen Gesamtrente aus allen Sozialversicherungen von 198'000 Franken kann hier von der Pensionskasse keine gesetzlich begründete «Überentschädigung» geltend gemacht werden.