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Johannes-KaufmannDr. med. vet. Johannes Kaufmann, 63-jährig (Bild), hat 1983 das Staatsexamen gemacht und 1986 doktoriert. Anschliessend war er vier Jahre Leiter eines Forschungsprojektes am international Trypanotolerance Center im westafrikanischen Gambia. Dabei ging es um die Erforschung des Zusammenhangs von Schlafkrankheit und Tierzucht. Zudem wurde eine Buschklinik aufgebaut. Alsdann erlangte er den tierärztlichen Facharzttitel FVH (Foederatio Veterinariorum Helveticorum) in Mikrobiologie und Tropenmedizin. 1995 erfolgte die Berufung zum Leiter der Sektion Tierversuche und Alternativmethoden und später zum Leiter Internationales des damaligen Bundesamts für Veterinärwesen BVET, das seit 2014 ein Teil des heutigen Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV ist. Von 1998 bis 2002 war er zuerst Attaché und dann Botschaftsrat für Wissenschaft für Kanada und USA an der Schweizer Botschaft in Washington DC. Nach der Rückkehr in die Schweiz wirkte er als Vizedirektor des Bundesamts für Bildung und Technologie und Leiter der Kommission für Technologie und Innovation KTI. Der aufkommende Wunsch, sich selbständig zu machen, mündete 2012 in der Eröffnung der Tierarztpraxis am Homberg GmbH, Wangen bei Olten, die er heute noch leitet, aber am 1. September 2019 an die global tätige Tierarztpraxiskette AniCura verkaufte. Im Gespräch mit den «ABC-E-News» verrät Dr. Johannes Kaufmann, weshalb er die erfolgreiche Berufskarriere in Forschung und Verwaltung mit der selbständigen Tätigkeit als Tierarzt im Rahmen seiner eigenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH vertauschte, weshalb er seine Tierarztpraxis an AniCura verkaufte und wie er die Nachfolge regelt.

Dr. Johannes Kaufmann, 2012 haben Sie die Tierarztpraxis am Homberg GmbH in Olten eröffnet. Was waren damals Ihre Motivation und Ihre Ziele beim Schritt in die Selbständigkeit?

Dr. Johannes Kaufmann: Ich habe während meinen «Abstechern» in die Forschung und Verwaltung festgestellt, dass ich immer noch durch und durch Tierarzt bin. Ich sehnte mich danach, wieder als praktischer Tierarzt zu arbeiten. Deshalb nutzte ich mein «Sabbatical», das ich nach den Jahren im öffentlichen Dienst zugute hatte, für einen Neubeginn. Ich begann wieder ganz unten in der «Nahrungskette» und hospitierte drei Monate in der Kleintierklinik der Universität Zürich, besuchte Vorlesungen und Kurse, assistierte bei Operationen. Danach arbeitete ich wie zu Beginn meiner Karriere als Assistent in verschiedenen Praxen und Kliniken und machte mich fit für die Neugründung einer Praxis.

Weshalb haben Sie die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH gewählt?
Dr. Johannes Kaufmann: Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH war gemäss meinem Treuhänder die angepasste Rechtsform. Obwohl die laufende Buchhaltung bei einer GmbH etwas aufwändiger ist, erwies sich diese Rechtsform als äusserst nützlich beim Verkauf meiner Praxis: Beim Verkauf erzielte ich einen steuerbefreiten Kapitalgewinn. Hätte ich bei der Gründung die Rechtsform des Einzelunternehmens gewählt, wäre der Verkaufspreis steuerpflichtig gewesen.

Wie gelang Ihnen der Aufbau und stetige Ausbau der eigenen Tierarztpraxis?
Dr. Johannes Kaufmann: Ich habe meine Kleintierpraxis mit 54 Jahren in einem alten Industriegebäude in Wangen bei Olten gegründet. Vorher kam ich als Tierarzt in einem Tierheim in die Region Olten, die viele als «No-Go-Area» bezeichnen. Mir gefällt diese Region, zumal sie sich für mein Vorhaben als ideal entpuppte. Rasch gelang es mir, einen Namen und einen Kundenstamm aufzubauen. Am Standort meiner neuen Praxis in Wangen bei Olten kamen dann viele Vorteile dazu: Wir haben dank einer gegenüberliegenden Coop-Tankstelle eine hohe Visibilität, bezahlen eine günstige Miete und profitieren von der boomenden Region Olten: Aus verkehrstechnischen Gründen und wegen vergleichsweise tiefer Wohnkosten leben dort viele junge Professionals, die in Bern oder Zürich arbeiten. Davon halten viele Haushalte Haustiere. Jedenfalls war die Katzenpopulation deutlich höher als die Daten des Bundesamts für Statistik, die wir für unseren Businessplan verwendet haben. Dies auch darum, weil es überraschend viele Mehrkatzenhaushalte gibt. Ein grosser Vorteil in Wangen war ausserdem die unterstützende Mithilfe der kantonalen und lokalen Verwaltung: Es gibt wenig Bürokratie und kurze Entscheidungswege. Und der Kanton Solothurn gab mir zu spüren, dass er an meiner Praxisneugründung interessiert war.

Gab es auch Hindernisse?
Dr. Johannes Kaufmann: Problematisch war die Preisgestaltung der tierärztlichen Leistungen. Ich eröffnete meine Praxis in einem verteilten Markt. Somit mussten wir uns an die Preise der Nachbarpraxen herantasten, weil es keine offizielle Tarifliste der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST mehr gab. Das war eine echte Herausforderung. Zum Glück bekam ich Unterstützung von der GST und ihrem damaligen Wirtschaftsbeauftragten.

Was war das Ziel Ihrer Praxisgründung in der zweiten Hälfte Ihrer Berufskarriere?
Dr. Johannes Kaufmann: Eigentlich wollte ich mit dieser Praxisgründung ein «Altersprojekt» für mich realisieren. Aber als ich die Praxis eröffnete, ging die Post ab. Attraktionspunkt war der Rund-um-die-Uhr-Notfalldienst, den ich von Anfang an mit eigenem Personal angeboten habe. Rasch kamen konsiliarisch tätige Spezialisten dazu, namentlich in den Bereichen Chirurgie und Internistik. Entsprechend schnellten die Umsätze in die Höhe. Bald entwickelte sich das «Altersprojekt» zu einem Marathon und ich rekrutierte laufend neue Mitarbeitende. Heute, neun Jahre nach dem Start, sind wir, ohne die Studentinnen und Studenten, insgesamt 17 Mitarbeitende, davon sieben Tierärztinnen und Tierärzte sowie sieben Tiermedizinische Praxisassistentinnen.

Weshalb haben Sie Ihre Tierarztpraxis am 1. September 2019 an die Tierarztpraxiskette AniCura verkauft, um dann in Ihrer eigenen Praxis nicht mehr als Eigentümer, sondern als Geschäftsführer zu wirken?
Dr. Johannes Kaufmann: Ich habe in den Jahren seit meiner Praxisgründung den Wandel im Tierarztberuf sehr stark zu spüren bekommen. Vor allem die Tatsache, dass junge Kolleginnen und Kollegen nicht mehr Praxisbesitzer sein möchten und dass die Pflicht zum Notfalldienst bei der Suche von Mitarbeitenden immer erschwerender wirkte. Überdies habe ich über Jahre versucht, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden. An einer Veranstaltung der Schweizerischen Vereinigung der Arbeitgeber-Tierärzteschaft SVAT wurden uns dann die Organisationen vorgestellt, die in der Schweiz Tierarztpraxen erwerben. Dabei ist mir die schwedische AniCura ins Auge gestochen. Diese Gruppe ist aus meiner Sicht die «Rolls-Royce»-Variante der Tierarztpraxen-Käufer: Sie setzt eine hohe Qualitätsmesslatte und macht dem Verkäufer keine Vorgaben, wie und mit welchen Medikamenten er zu arbeiten hat. Ich bin stolz, dass ich den Verkauf an AniCura gewagt habe. Die Anstellungsbedingungen und die Ausbildung der Mitarbeitenden, die gebotene Vernetzung sowie der anhaltende Wissenstransfer sind von AniCura hervorragend organisiert. Man fühlt sich nicht mehr als Einzelkämpfer, sondern Teil einer coolen Organisation. Und man hat viel weniger Rekrutierungsprobleme.

Was genau ist AniCura?
Dr. Johannes Kaufmann: Zu AniCura gehören allein in Europa mehr als 350 Tierkliniken und Tierarztpraxen mit 7500 Mitarbeitenden, davon mehr als 2800 Tierärztinnen und Tierärzte. Behandelt werden jährlich über drei Millionen Haustiere, vorwiegend Hunde und Katzen. AniCura ist das Zuhause einer Vielzahl von Spezialisten mit ausgeprägtem Know-how in ihren jeweiligen Fachbereichen. Aufgrund dieser hohen Fachkompetenz erhält AniCura europaweit etwa ein Drittel der zu behandelnden Haustiere durch Überweisungen von kooperierenden Tierkliniken und Tierarztpraxen. Die medizinischen und chirurgischen Dienste beinhalten das volle Spektrum, von der Prävention und Grundversorgung bis hin zu moderner Diagnostik, Innerer Medizin, Intensivbetreuung, Chirurgie und Orthopädie sowie Reha-Massnahmen, Krankengymnastik und Ernährungsberatung. Darüber hinaus erfüllt AniCura eine wichtige Funktion als Ausbildungsstätte und im länderübergreifenden Wissensaustausch.

Wie haben Sie beim Verkauf Ihrer Praxis die Versicherungsprobleme gelöst, beispielsweise bei der Pensionskasse?
Dr. Johannes Kaufmann: Im Vertrag mit AniCura ist stipuliert, dass ich als Geschäftsführer noch bis zu meiner Pensionierung mitarbeite. Mein Lohn ist sehr grosszügig angesetzt und Teil des Vertragswerks. Die Vorsorgepläne wurden zu 100 Prozent übernommen. Es änderte sehr wenig für mich, ausser, dass die «Ernte nun eingefahren ist» und ich sehr locker als Tierarzt arbeiten kann, was ja immer mein Traum war.

Hat sich der Praxisverkauf für Sie gelohnt?
Dr. Johannes Kaufmann: Auf jeden Fall hat sich der Verkauf gelohnt. Die Praxis läuft weiter, für die Mitarbeitenden ist gesorgt: Sie haben sehr gute Anstellungsbedingungen und eine langfristige Perspektive. Was mir auch gefällt, ist der hohe Qualitätsanspruch von AniCura. Wir sind mittlerweile eine ansehnliche Gruppe von sieben Kliniken in der Schweiz und wir haben einen regen Austausch untereinander. Auch kommen laufend neue Kompetenzen und Infrastruktureinrichtungen dazu, beispielsweise Spezialisten in verschiedenen Disziplinen wie Neurologie oder Chirurgie sowie modernste Bildgebungsverfahren.

Wie organisieren Sie Ihre Nachfolge als Geschäftsführer der Tierarztpraxis am Homberg?
Dr. Johannes Kaufmann: Ich habe diesen Prozess bereits begonnen. Ich durfte in meiner Karriere schon früh Teams führen, beispielsweise mit 25 Jahren ein Projekt in Afrika mit 15 Personen und als Leiter der Kommission für Technologie und Innovation KTI ein Team mit 60 Personen. Die Auszeichnung als «Excellent Leader», die mir von der AniCura Gruppe letztes Jahr verliehen wurde, ist ein guter Abschluss meiner Führungskarriere. Ich werde aber dem Team weiter mit Rat und Tat zur Seite stehen und das hoffentlich noch ein paar Jahre. Ich bin überzeugt, dass man sich rechtzeitig mit der Nachfolgeregelung auseinandersetzen sollte.

Hier noch eine Frage aus aktuellem Anlass: Wie hat sich die Coronakrise auf Ihre Tätigkeit als Tierarzt ausgewirkt?
Dr. Johannes Kaufmann: Die Coronakrise hat uns in der täglichen Arbeit stark tangiert. Unter erschwerten Bedingungen haben wir das hohe Arbeitsvorlumen meistern müssen. Ausfälle und Ängste unter den Mitarbeitenden und die grosse Distanz zu den Kunden und ihren Tieren waren die schlimmsten Auswirkungen, denn Kommunikation ist ein wichtiger Teil der täglichen tierärztlichen Arbeit. Wenn diese auf die Stimme und den Augenkontakt reduziert wird, geht ein wichtiger Teil verloren. Ich hoffe, dass diese Pandemie bald vorbei ist.

Welche Überlegungen und welchen Ratschlag können Sie unseren Leserinnen und Lesern aufgrund des Verkaufs Ihrer eigenen Praxis an eine Praxiskette kommunizieren?
Dr. Johannes Kaufmann: Grundsätzlich würden wir alle gerne unsere Praxis einer Kollegin oder einem Kollegen übergeben. Leider sind die nicht so zahlreich zu finden und wenn, dann kommen sie allzu oft nicht zum benötigten Kapital. Das bedaure ich, weil es ein Zeichen dafür ist, dass die Banken nach wie vor zu konservativ sind, wenn es darum geht, einen Praxiskredit zu vergeben. Zumal gerade Tierarztpraxen in der Regel keine riskanten Investitionen sind und gut rentieren. Der Mangel am notwendigen Kapital ist ein wichtiger Grund, warum junge Berufskolleginnen und Berufskollegen sich nicht weiter um die Übernahme einer Praxis bemühen. Hier wäre Handlungsbedarf angesagt. Glücklicherweise gibt es verschiedene Tierklinikgruppen. Diese muss man im Hinblick auf seine eigene Tierarztpraxisnachfolge aber genau unter die Lupe nehmen. Dies darum, weil überdurchschnittliches Wachstum und hohe Renditen zu erwarten sind und sich deshalb viele Investoren unterschiedlicher Qualität in nie dagewesenem Masse um tierärztliche Praxen und Kliniken bemühen. Wird man nach einer sorgfältigen Analyse der Kaufkandidaten fündig, ist es angezeigt, allfällige Ängste abzulegen, die bestmöglichen Konditionen auszuhandeln und zum Praxisverkauf zu schreiten.

Ihre Schlussbemerkung?
Dr. Johannes Kaufmann: Ich habe zum Schluss ein Anliegen betreffend des Zulassungsverfahrens der Universitäten für Studentinnen und Studenten der Tiermedizin: Es ist ziemlich marktfremd, wenn rund um den Numerus Clausus die Logik und mathematisches Denken als entscheidendes Kriterium der Selektion eingesetzt werden. Aufgrund solcher Selektionskriterien ist es dann kaum erstaunlich, wenn sich die neuen Absolventinnen und Absolventen der Tiermedizin sehr schwer tun mit dem Notfalldienst. Das ist bedauerlich, weil es meiner Meinung nach zu den ureigensten Aufgaben der Tierärzteschaft gehört, erkrankte Tiere auch in der Nacht zu betreuen. Die grosse Sorge um den Erhalt des Notfalldienstes hat mithin auch damit zu tun, dass die jungen Menschen bei der Wahl des Studiums ungenügend auf diesen Aspekt des Berufes aufmerksam gemacht werden. Ich wünsche mir deshalb, dass die Studienanwärterinnen und Studienanwärter schon bei der Zulassung zur Ausbildung für die Bereitschaft zum Rund-um-die-Uhr-Notfalldienst sensibilisiert werden.



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