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Verwandtenunterstuetzung«Wegen der Coronakrise zeichnet sich ein deutlicher Anstieg in der Sozialhilfe ab», steht im neusten Analysepapier «Coronapandemie: Aktuelle Lage und zukünftige Herausforderungen für die Sozialhilfe» der Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS. Somit könnten es künftig mehr Gutverdiener und Vermögende mit dem Verwandtenunterstützungsartikel 328 des Zivilgesetzbuches zu tun bekommen: «Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in aufsteigender und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.»

Düsterer Ausblick der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS
Die Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS schreibt in der Medieninformation vom 7. Januar 2021 zu ihrer neusten Analyse: «Die wirtschaftlichen Langzeitfolgen der Coronakrise sind schwer abzuschätzen. Es ist aber davon auszugehen, dass ein Teil der Bevölkerung mittel- und langfristig Einbussen erleiden und auf Unterstützung angewiesen sein wird. Besonders gefährdete Gruppen sind Langzeitarbeitslose, die in Folge der Krise noch mehr Schwierigkeiten bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt haben, sowie Selbständigerwerbende mit tiefem Einkommen. Ein Teil dieser Gruppen wird in den nächsten zwei Jahren auf Sozialhilfe angewiesen sein. Im Referenzszenario wird sich die Zahl der auf Sozialhilfe angewiesenen Personen um 21 Prozent erhöhen. Dies hätte Kostenfolgen im Bereich der Sozialhilfe von 821 Millionen Franken.»

Gemeinden werden die Verwandtenunterstützungsquelle wohl vermehrt anzapfen
Es ist zu erwarten, dass die vermehrt von sozialhilfebedürftigen finanziellen Coronaopfern betroffenen Gemeinden die Verwandtenunterstützung noch stärker zu aktivieren versuchen. Da fragt es sich, wer laut Gesetz überhaupt infrage kommt, für direktverwandte finanzielle Coronaopfer Verwandtenunterstützung leisten zu müssen. Das Gesetz sagt im Zivilgesetzbuchartikel 328 überaus schwammig und unpräzise: Wer «in günstigen Verhältnissen» lebt. Was bedeutet das?

Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS
In den meisten Gemeinden gelten die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS. Darin sind die Grenzen für «günstige Verhältnisse» im Hinblick auf die Verwandtenunterstützung wie folgt festgelegt: Die Verwandtenunterstützungspflicht kommt in Frage, wenn das steuerbare Einkommen plus Vermögensverzehr bei Alleinstehenden mehr als 120’000 Franken beträgt und bei Verheirateten mehr als 180'000 Franken. Für jedes minderjährige oder sich in Ausbildung befindende Kind werden diese Einkommensgrenzen um 20'000 Franken erhöht. Der Vermögensverzehr errechnet sich wie folgt: steuerbares Vermögen abzüglich eines Freibetrags von 250'000 Franken bei Alleinstehenden und eines Abzugs von 500’'000 Franken bei Verheirateten, zuzüglich eines Abzugs von 40'000 Franken pro Kind. Der verbleibende Betrag wird aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung des Unterstützungspflichtigen in den jährlichen Vermögensverzehr umgerechnet.

Verwandtenbeiträge müssen von der Behörde allenfalls erstritten werden
Die Beiträge von Verwandten sollten von den Behörden aufgrund gegenseitiger Absprachen erhoben werden. Auf keinen Fall können die Beträge mittels eines Beschlusses der Fürsorgebehörden eingefordert werden. Im Streitfall hat das unterstützungspflichtige oder kostentragende Gemeinwesen eine Zivilklage zu erheben, die sich auf Unterhaltsleistungen für die Zukunft und für höchstens ein Jahr vor Klageerhebung erstrecken kann.

Billigkeitsgründe zur Herabsetzung der Verwandtenunterstützung
Verschiedene Billigkeitsgründe führen zur Herabsetzung der Verwandtenunterstützungsleistungen: Solche können geltend machen, wenn

  • im Beurteilungszeitraum bereits Verwandtenunterstützungsleistungen erbracht wurden,
  • die erhobenen Steuerdaten nicht mehr aktuell sind,
  • der Beweis erbracht wird, dass keine oder nur eine verminderte Notlage der unterstützten Person besteht oder bestanden hat,
  • Beweise für böswilliges Verhalten vorliegen: Beispielsweise, wenn die unterstützte Person absichtlich auf Kosten von unterstützungspflichtigen Familienangehörigen lebt und nicht das Zumutbare unternimmt, um für sich selbst aufzukommen.
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