Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA stellt aufgrund ihrer jüngsten Analysen fest, dass Rechnungen im Bereich der Krankenzusatzversicherung häufig intransparent sind und zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt scheinen. Die FINMA erwartet von den Versicherern ein wirksameres Controlling, um solchen Missständen zu begegnen. Zudem fordert die FINMA die Versicherer auf, die Verträge mit den Leistungserbringern, den Ärztinnen und Ärzten sowie den Spitälern, zu überprüfen und wo nötig zu verbessern. Nur unter diesen Voraussetzungen wird die FINMA neue Spitalzusatzversicherungsprodukte genehmigen.
Was hat die FINMA konkret festgestellt?
In der Medienmitteilung vom 17 Dezember 2021 «Krankenzusatzversicherer: FINMA sieht umfassenden Handlungsbedarf bei Leistungsabrechnungen» stellt die FINMA knallhart fest: Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrollen zeigen auf, dass Arzt- und Spitalrechnungen in der Krankenzusatzversicherung zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt scheinen. In vielen Leistungsabrechnungen ist nicht ersichtlich, welche Mehrleistungen der Zusatzversicherung in Ergänzung zur definierten Fallkostenpauschale aus der Obligatorischen Krankenversicherung in Rechnung gestellt werden. Als Folge davon können die Versicherer nicht effektiv kontrollieren, inwieweit die vergüteten Kosten im Verhältnis zu den tatsächlich erbrachten Zusatzleistungen angemessen sind. Konkret geht es darum:
- Es kommt zu Doppelverrechnungen, was bedeutet, dass bereits in der Obligatorischen Krankenversicherung enthaltene, fallspezifische Leistungen mindestens teilweise noch einmal abgerechnet werden.
- Liegt eine Halbprivat- oder Privatversicherung vor, löst das bei zahlreichen Verträgen automatisch höhere Arzthonorare aus, ungeachtet dessen, welche Ärztin und welcher Arzt aktiv wird und ob der jeweilige Patient den Anspruch der freien Arztwahl geltend gemacht hat.
- Zudem stellen beispielweise bei Produkten mit freier Arztwahl nicht nur die ausdrücklich gewählten behandelnden Ärztinnen und Ärzte Honorare in Rechnung, sondern weitere involvierte Arztpersonen. Der FINMA begegneten in ihren Stichproben Beispiele, in denen rund 40 Ärztinnen und Ärzte Honorare über die Zusatzversicherung bei einem Patienten geltend machten, ohne dass dies begründet worden wäre.
- Für identische Behandlungen werden je nach Spital und Arztperson sehr unterschiedliche Zusatzkosten verrechnet. Bei einfachen Operationen für Hüftprothesen wurden beispielsweise zu den je rund 16'000 Franken, die als Fallpauschale von der Obligatorischen Krankenversicherung gedeckt werden, je nachdem zwischen 1'500 und bis zu 25'000 Franken zusätzlich der Zusatzversicherung in Rechnung gestellt.
- Für Hotellerieleistungen werden ebenfalls sehr unterschiedliche Zusatzkosten verrechnet. Oft ist auf der Abrechnung nicht ersichtlich, welche Mehrleistung den Preisunterschied rechtfertigt. So gibt es beispielsweise in gewissen Spitälern ohnehin ausschliesslich Zweibettzimmer. Von Halbprivatversicherten wird für den Service "Zweibettzimmer" aber ein Aufpreis gegenüber der Obligatorischen Krankenversicherung verlangt.
- Zudem bestehen Hinweise, wonach die abgerechneten Hotelleriekosten in den Spitälern die effektiven Kosten systematisch überschreiten können. Ein Spital beziffert beispielsweise die Mehrkosten für die Hotellerieleistungen für einen Halbprivatversicherten pro Fall insgesamt mit rund 200 Franken. Der Zusatzversicherung stellt es über 350 Franken pro Tag in Rechnung. Da die Verweildauer pro Fall durchschnittlich rund fünf Tage beträgt, ergibt sich daraus, dass die Rechnungen einem Mehrfachen der bezifferten Kosten entsprechen.
- Die Versicherten erhalten in der Regel keine Kopie der Rechnung des Leistungserbringers für die erbrachten Leistungen. Und falls doch, ist diese nur schwer verständlich. Die Versicherten können so die in Rechnung gestellten Leistungen nicht überprüfen. Die Transparenz ist nicht genügend gewährleistet.
Die FINMA erwartet, dass die Krankenzusatzversicherer durchgreifen
Die Situation, wie sie sich aufgrund der Analysen und Vor-Ort-Kontrollen der FINMA darstellt, ruft nun nach einer möglichst raschen und umfassenden Bereinigung. Die FINMA bekräftigt daher folgende Erwartungen an die Krankenzusatzversicherer:
- Die Versicherer müssen dafür sorgen, dass die Leistungserbringer transparente und nachvollziehbare Abrechnungen erstellen.
- Die Versicherer dürfen nur für Leistungen aufkommen, die wegen Mehrleistungen gerechtfertigt sind, die also über die in der Obligatorischen Krankenversicherung gedeckten Leistungen hinausgehen und preislich begründbar sind. Dafür sollen sie für vergleichbare Leistungen beispielsweise Quervergleiche mit anderen Leistungserbringern anstellen.
- Die Versicherer sollen wo nötig die Verträge mit den Leistungserbringern anpassen oder neue Verträge abschliessen, um diesen Kriterien Rechnung tragen zu können.
- Die Versicherer haben, soweit nicht bereits geschehen, ein wirksames Controlling aufzubauen, das sicherstellt, dass die erwähnten Anforderungen umgesetzt und permanent eingehalten werden.
Die Aufsicht über die Leistungsabrechnung, deren Controlling und Transparenz wird in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt der FINMA bleiben. Klar ist, dass die FINMA nur noch neue Produkte genehmigen wird, bei denen die oben erwähnten Kriterien eingehalten sind. Zudem wird sie der Grössenordnung der zu hoch verrechneten Beträge nachgehen und der Frage, was diese für die Tarife bedeuten.