Frage von Frau Dr. med. U.S. in Z.: «Ich, 61-jährig, bin bei der Pensionskasse PAT-BVG als selbständige Ärztin freiwillig versichert. Die PAT BVG befindet sich wie viele Pensionskassen derzeit in einem auf mehrere Jahre verteilten Prozess der Senkung der Rentenumwandlungssätze. Aufgrund des Studiums der Tabelle mit den sinkenden Umwandlungssätzen habe ich festgestellt: Derzeit erhalte ich bei einer Frühpensionierung als 61-Jährige einen Umwandlungssatz von 5,40 Prozent. Lasse ich mich erst im Jahr 2022 als 64-Jährige pensionieren erhalte ich nur noch einen Umwandlungssatz von 5,25 Prozent. Deshalb meine Idee: Ich lasse mich jetzt frühpensionieren und kassiere die Altersrente mit dem höheren 5,40-Prozent-Umwandlungssatz, arbeite jedoch mit meiner Arztpraxis unverändert weiter und sorge während der verbleibenden Arbeitsjahre für eine andere Altersvorsorge: Ist das rechtlich möglich?»
Antwort von Andreas Frei, Leiter Vorsorge PAT-BVG
Andreas Frei Leiter Vorsorge der Pensionskasse PAT-BVG, antwortet auf die Frage der Ärztin wie folgt: «Die berufliche Vorsorge ist für die Selbständigewerbenden grundsätzlich freiwillig. Schliessen sich die Selbständigerwerbenden einer Vorsorgeeinrichtung an, gelten jedoch beinahe ausnahmslos sämtliche Vorschriften, welche für die Vorsorge der Arbeitnehmer gültig sind. Demnach ist ein Bezug der Altersleistungen vor dem Pensionsalter immer mit der Aufgabe der Erwerbstätigkeit verbunden. Dies ist in Artikel 13 des Berufsvorsorgegesetzes festgelegt: ‘Der Anspruch auf Altersleistungen entsteht mit der Beendigung der Erwerbstätigkeit’.
Im Vorsorgereglement der PAT-BVG ist dieser Bezug in Artikel 7.1 geregelt: ‘Der Anspruch auf eine Altersrente beginnt am Ersten des Monats nach der Aufgabe der Erwerbstätigkeit infolge Pensionierung. Die Pensionierung kann zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der zulässigen Pensionierungsalter gemäss Vorsorgeplan erfolgen.’
Das gemäss Vorsorgeplan zulässige Pensionsalter liegt zwischen 58 und 70 Jahren. Ein Aufschub der Altersleistungen nach dem ordentlichen Pensionsalter 65/64 ist jedoch freiwillig. Es ist somit nur nach dem ordentlichen Pensionsalter möglich, die Altersleistungen zu beziehen und wie bis anhin weiterzuarbeiten. Vor dem ordentlichen Pensionsalter ist der Bezug der Altersleistungen zwingend mit der Aufgabe der Erwerbstätigkeit verbunden.»
Bundesgerichtsurteil öffnet einen Ausweg
Im Bundesgerichtsentscheid BGE 120 V 306 wird sinngemäss hervorgehoben: Die in Artikel 13 des Berufsvorsorgegesetzes festgehaltene Beendigung der Erwerbstätigkeit als Bedingung für den Bezug von Altersleistungen bezieht sich nur auf das Arbeitsverhältnis mit demjenigen Arbeitgeber, welcher der betreffenden Vorsorgeeinrichtung angeschlossen ist. Gegen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber ist nichts einzuwenden.
Das heisst: Eine vorzeitig pensionierte Person kann die Erwerbstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber weiterführen beziehungsweise wieder aufnehmen. Das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses mit einem neuen Arbeitgeber hat somit keine Auswirkungen auf die Altersleistungen, welche die Vorsorgeeinrichtung des früheren Arbeitgebers ausrichtet.
Umwandlung der Arztpraxis in eine Aktiengesellschaft
Für die 61-jährige frühpensionierte selbstständige Ärztin, die mit ihrer Arztpraxis unverändert weiterarbeiten will, bedeutet der Bundesgerichtsentscheid BGE 120 V 306: Sie kann ihre Arztpraxis in eine Aktiengesellschaft umwandeln und dann ihre bisherige Erwerbstätigkeit als Mitarbeiterin ihres neuen Arbeitgebers, nämlich der eigenen Praxisaktiengesellschaft, eins zu eins fortführen. Die Pensionskasse PAT-BVG muss dann die Frühpensionsrente unverändert ausrichten.
Andreas Frei Leiter Vorsorge der Pensionskasse PAT-BVG, meint zu diesem bundesgerichtlich gestützten schlaumeierischen Vorgehen: «Das Beispiel der selbständig erwerbenden Person, welche ihre selbständige Tätigkeit aufgibt und dann neu Mitarbeitende ihrer eigenen Aktiengesellschaft wird, ist eine Grauzone, welche meines Erachtens eine Vorsorgeeinrichtung nicht verhindern kann, insbesondere wenn die neue Aktiengesellschaft bei einer anderen Vorsorgeeinrichtung angeschlossen wird.»
Es muss wohl ein solcher Fall bis ans Bundesgericht gelangen, damit die obersten Richter abklären können, ob diese derzeit bundesgerichtlich geschützte Umgehung von Artikel 13 des Berufsvorsorgegesetzes von Selbständigen mittels einer eigenen Aktiengesellschaft auch weiterhin bundesgerichtlich geschützt bleibt.