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Arzt am Praemienrechner Aug 19Frage von Frau Dr. med. K.M. in O.: «Eine Praxisangestellte von mir hat ein 50-Prozent-Pensum. Wegen einer Krankheit war sie von ihrem Arzt einige Zeit hundertprozentig arbeitsunfähig geschrieben worden. Die Arbeitsunfähigkeit wurde dann vom Arzt auf 50 Prozent gesenkt. Da verlangte ich schriftlich, dass die Praxisangestellte die Arbeit wieder aufnehme. Das tat sie nicht. Nach Konsultation eines Bekannten, der sich im Arbeitsrecht auskennt, kündigte ich der Praxisangestellten fristlos. Jetzt droht mir die Praxisangestellte mit einer Klage. Frage: Habe ich richtig gehandelt?»

Fristlose Kündigung
In Artikel 337 des Obligationenrechts steht: «Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen; er muss die fristlose Vertragsauflösung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt. Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.»
Verweigert der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung, wird dies regelmässig als wichtiger Grund für eine fristlose Entlassung genügen, es sei denn, die Arbeitsverweigerung erscheine aufgrund besonderer Umstände als gerechtfertigt. Letzteres wäre beispielsweise der Fall, wenn der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden krankheitsbedingt an der Arbeitsleistung gehindert wird.

Ein 50 Prozent-Beschäftigter wird 50 Prozent arbeitsunfähig geschrieben
Fragt sich, ob ein 50 Prozent-Beschäftigter, der von einem Arzt 50 Prozent arbeitsunfähig geschrieben wird, die Arbeit gerechtfertigt verweigern und deshalb ohne Risiko einer gesetzlich gerechtfertigten fristlosen Kündigung nicht am Arbeitsplatz erscheinen kann. Die Antwort lautet: nein. In diesem Fall der Arbeitsverweigerung ist die fristlose Kündigung mithin gerechtfertigt.

Das Bundesgericht stellt fest
Das Bundesgericht stellt im Urteil 4A_45/2018 dazu sinngemäss fest: Eigentlich lässt es sich nicht rechtfertigen, dass ein ärztliches Attest nach dem zwischen dem Patienten und seinem Arbeitgeber vereinbarten Beschäftigungsgrad ausgelegt wird, weil der Arzt kein Rechtsgutachten über die vertraglichen Pflichten des Patienten, sondern nur eine Bescheinigung überseine medizinische Tauglichkeit für die betreffende Arbeit abgibt. Ein 50 Prozent-Beschäftigter, der von einem Arzt 50 Prozent arbeitsunfähig geschrieben wird, muss aber seine Arbeit mindestens zur Hälfte seines Pensums aufnehmen, wenn er vom Arzt 50 Prozent arbeitsunfähig geschrieben ist.

«50 Prozent arbeitsunfähig» ist kein eindeutiger Befund
In der Diskussion über das Bundesgerichtsurteil 4A_45/2018 wird namentlich hervorgehoben: Ein Arbeitsfähigkeitszeugnis, das die Arbeitsunfähigkeit nur in einem Prozentsatz ausdrückt, ist ungenügend. «50 Prozent arbeitsunfähig» ist kein eindeutiger Befund: Es kann bedeuten, dass der Arbeitnehmende nur zur Hälfte seiner vereinbarten Arbeitszeit arbeiten kann, während dieser reduzierten Zeit aber grundsätzlich die volle Leistung erbringen kann. Es kann aber auch bedeuten, dass der Arbeitnehmende zwar während der gesamten vereinbarten Arbeitszeit am Arbeitsplatz präsent sein kann, in dieser Zeit aber nur eine um 50 Prozent verminderte Leistung erbringen kann.

Ärztinnen und Ärzte sollten deshalb in ihren Arbeitsfähigkeitszeugnissen die Arbeitsfähigkeit ihrer Patientinnen und Patienten differenziert beurteilen, damit Streitereien zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden aufgrund der Arbeitsfähigkeitszeugnisse möglichst vermieden werden. Ein Beispiel für ein differenziertes Arbeitsunfähigkeitszeugnis ist das Arbeitsfähigkeitszeugnis der Interessengemeinschaft Versicherungsmedizin Schweiz.



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