Ende 2018 warteten über 1412 Menschen in der Schweiz auf ein Spenderorgan. Nicht mehr erlebt hatten das Jahresende jene 68 Patientinnen und Patienten, die im Vorjahr starben, während sie auf ein Spenderorgan warteten. Deshalb verlangt die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» die Einführung einer engen Widerspruchslösung. Damit soll die Zahl der Organspenden deutlich erhöht werden. Mit dieser Lösung dürften einer verstorbenen Person Organe entnommen werden, falls sie sich zu Lebzeiten nicht dagegen ausgesprochen hat. Der Bundesrat stösst nun in die gleiche Richtung, will indessen mit einem indirekten Gegenvorschlag die enge Widerspruchslösung entschärfen.
Zahl der Organspenden im europäischen Vergleich tief
Dank des Aktionsplans des Bundes «Mehr Organe für Transplantationen» konnte die Zahl der Organspenden in der Schweiz seit 2013 zwar erhöht werden. Sie sind aber im europäischen Vergleich noch immer bedenklich tief.
Derzeit gilt in der Schweiz die Zustimmungslösung
Heute gilt in der Schweiz die Zustimmungslösung. Eine Organspende kommt in Frage, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Spende zugestimmt hat.
Liegt keine Willensäusserung vor, müssen die Angehörigen entscheiden. In dieser schwierigen Situation lehnen die Angehörigen in rund 60 Prozent der Fälle eine Organspende ab.
Widerspruchslösung steigert die Zahl der Organspenden
Die Jeune Chambre Internationale (JCI) hat die Initiative «Organspende fördern – Leben retten» eingereicht. Sie verlangt, dass die Widerspruchslösung, die vermutete Zustimmungslösung, in der Bundesverfassung festgeschrieben wird.
Der Bundesrat unterstützt dieses Anliegen grundsätzlich. Auch ihm ist es ein Anliegen, die Wartezeiten für eine Organtransplantation zu verringern und so Leben zu retten. Und Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zeigen, dass die Spendenzahlen mit der Widerspruchslösung steigen. Deshalb ist der Bundesrat der Meinung, dass das vorhandene Spendenpotenzial mit einem Systemwechsel auch in der Schweiz besser ausgeschöpft werden kann.
Angehörige sollen einbezogen werden
Allerdings will der Bundesrat keine enge Widerspruchslösung, in welcher die Angehörigen nicht einbezogen werden müssen. Vielmehr spricht er sich für eine im Transplantationsgesetz zu verankernde erweiterte Widerspruchslösung aus.
Auf diese Weise werden die Rechte der Angehörigen gewahrt. Diese sollen weiterhin zwingend einbezogen werden und eine Organspende ablehnen können, wenn dies dem Willen der verstorbenen Person entspricht.
Schwierige ethische Fragen
Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Organspende mit schwierigen ethischen Fragen
verbunden ist und befürwortet eine breite Debatte über das Thema. Er hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) deshalb beauftragt, bis im Herbst einen indirekten Gegenvorschlag für eine erweiterte Widerspruchslösung auszuarbeiten.
Jede volljährige Person gilt als potenzielle Organspenderin
Mit der Widerspruchslösung gilt grundsätzlich jede volljährige Person als potenzielle Organspenderin, ausser sie hat sich zu Lebzeiten dagegen entschieden. Die Voraussetzungen für eine Spende bleiben indes gleich wie heute: Organe spenden können nur Personen, die im Spital einen Hirntod infolge Hirnschädigung oder Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Verstirbt jemand zu Hause oder ausserhalb des Spitals, ist eine Organspende nicht möglich.