«Im Jahr 2030 wird der AHV-Fonds leer sein», unterstreicht Manuel Leuthold, Präsident von Compenswiss, dem Ausgleichsfonds AHV/IV/EO (Bild), am 29. Dezember 2018 in einem Interview mit der «Schweiz am Wochenende». Beim letzten Vermögensausweis vom 30. September 2018 enthielt der AHV-Fonds noch 36,7 Milliarden Franken. Lesen Sie, was der AHV-Fonds-Präsident sonst noch sagt über die Perspektiven unserer obligatorischen Altersvorsorge AHV.
Manuel Leuthold, wie wirken sich die 2018er-Kursverluste an den Börsen auf den Ausgleichfonds der AHV-Altersvorsorge aus?
Manuel Leuthold: Wir werden für das Jahr 2018 auf dem AHV-Anlagevermögen eine klar negative Rendite etwa in der Grössenordnung von drei bis vier Prozent haben.
Demzufolge wird es dieses Jahr auch nicht gelingen, wie in den Vorjahren das Defizit auszugleichen, das aus der Umlage von Erwerbstätigen auf Rentner entsteht?
Manuel Leuthold: Nein, das wird nicht möglich sein. Das Defizit aus der Umlage wird im Übrigen auch dieses Jahr wieder etwas grösser ausfallen als im Vorjahr. Die Alterung der Gesellschaft hat ja zur Folge: Weniger Lohnbeiträge von Erwerbstätigen müssen umgelegt werden in mehr Renteneinkommen von Pensionierten. Dieses Defizit dürfte 2018 zwischen 1 und 1,5 Milliarden Franken zu liegen kommen.
Wie wird sich dieses Defizit bei der Umlage in Zukunft entwickeln?
Manuel Leuthold: Es wächst, und zwar immer stärker. 2015 waren es rund 550 Millionen Franken, 2016 etwa 780 Millionen, 2017 dann 1,1 Milliarden. 2018 dürfte es nun zwischen 1 und 1,5 Milliarden zu liegen kommen. Und gemäss den Prognosen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) werden es 2030 rund 7 Milliarden Franken sein. Wir bleiben deshalb bei der Prognose des BSV: Ohne zusätzliche Massnahmen und Reformen wird der AHV-Ausgleichsfonds im Jahr 2030 leer sein.
Was müsste getan werden?
Manuel Leuthold: Das wird die Politik entscheiden müssen. Man kann theoretisch die Leistungen senken, also die Renten. Aber die sind schon recht gering, gemessen am Einkommen, das man eigentlich sichern will. Oder man könnte jährlich zusätzliches Geld in die AHV einschiessen.
Woher würde das kommen?
Manuel Leuthold: Beispielsweise durch die Unternehmenssteuerreform, die mit der Finanzierung der AHV verknüpft werden soll und worüber wir bald abstimmen werden. Das würde der AHV jährlich zwei Milliarden Franken zusätzliche Einnahmen bringen. In den ersten Jahren würde unser Defizit in der Umlage damit gar überkompensiert. Und um 2030 herum wäre das jährliche Defizit nicht mehr 7 Milliarden gross, aber immerhin noch 5 Milliarden Franken.
Das Problem wäre also nicht gelöst. Und dann könnte man das Rentenalter anpassen?
Manuel Leuthold: Das wäre die dritte mögliche Massnahme. Das Rentenalter würde automatisch angepasst, wenn der Ausgleichsfonds ein gewisses Vermögensniveau erreicht hat. Eine solche Massnahme hätte auch zur Folge, dass wir unsere Gelder langfristiger anlegen könnten und dadurch höhere Renditen erreichen würden. Diese Massnahme hätte daher die grösste Wirkung. In nordischen Ländern gibt es solche Mechanismen bereits.
Politisch ist dies jedoch sehr umstritten. Unter anderem, weil viele Erwerbstätige ohnehin lange vor dem Rentenalter keine Stelle mehr finden.
Manuel Leuthold: Das ist so. Wie gesagt muss die Politik entscheiden und dabei alle Aspekte berücksichtigen. Ich kann nur die rein technische Seite erklären, gewissermassen die Mechanik der AHV.