Für die Festlegung des Invaliditätsgrades von Teilerwerbstätigen gibt es jetzt ein neues Berechnungsmodell. Dieses verbessert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und erfüllt die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Der Bundesrat hat die entsprechende Verordnungsänderung auf den 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt.
Mahnfinger des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Für teilerwerbstätige Personen wird der Invaliditätsgrad nach der gemischten Methode festgelegt: Die gesundheitliche Einschränkung im Erwerbsbereich und in andern Aufgabenbereichen wie dem Haushalt wird separat ermittelt. Die Teilzeitarbeit im Erwerbsbereich wurde dabei bis Ende 2017 überproportional berücksichtigt. Das führte in der Regel zu tieferen Invaliditätsgraden, verglichen mit der allgemeinen Methode für vollerwerbstätige Personen. Davon betroffen sind zu einem Grossteil Frauen, die nur teilzeiterwerblich sind, weil sie den Haushalt nicht vernachlässigen wollen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem Urteil vom 2. Februar 2016 diese Berechnungsmethode als diskriminierend bezeichnet, weil sie Frauen benachteiligt, die
nach der Geburt von Kindern ihr Arbeitspensum reduzieren.
Gleich starke Gewichtung von Beruf und Haushalt
Neu sollen für die Festlegung des Invaliditätsgrades von Teilerwerbstätigen die gesundheitlichen Einschränkungen in der Erwerbstätigkeit und im Aufgabenbereich gleich stark gewichtet werden. Für die Ermittlung des Invaliditätsgrads in Bezug auf die Erwerbstätigkeit soll auf eine hypothetische Vollerwerbstätigkeit abgestellt werden. In Bezug auf Aufgabenbereiche wie der Haushalt soll gleich gerechnet werden wie bei versicherten Personen, die sich vollständig einem solchen Aufgabenbereich widmen. Damit wird die Haus- und Familienarbeit besser berücksichtigt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert.
Bisherige Renten werden überprüft und allenfalls erhöht
Mit dem neuen Berechnungsmodell können teilerwerbstätige Personen in Zukunft eine höhere Rente erhalten, weil ihr Invaliditätsgrad neu bemessen und berechnet wird. Aus diesem Grund sind alle laufende Viertelsrenten, halbe Renten und Dreiviertelsrenten, welche nach der bisherigen gemischten Methode berechnet wurden, von den IV-Stellen von Amtes wegen zu prüfen. Eine allfällige Erhöhung der Rente wird in diesen Fällen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Änderung gewährt werden. Das vorgeschlagene Berechnungsmodell führt zu Mehrkosten für die Invalidenversicherung von etwa 35 Millionen Franken pro Jahr.
Personen, die neu einen IV-Grad von 40 Prozent erreichen könnten, müssen sich melden
Für Personen, die bisher nach der aktuellen gemischten Bemessungsmethode einen IV-Grad von unter 40 Prozent erreichten, kann aufgrund der vorgeschlagenen Berechnungsweise ein IV-Grad von 40 Prozent und höher resultieren, was neu zu einem Anspruch auf eine Rente führen würde. Da in diesen Fällen keine Revision von Amtes wegen erfolgt, müssen sich die betroffenen Personen erneut bei der IV anmelden. Es empfiehlt sich daher eine möglichst rasche Neuanmeldung bei der zuständigen IV-Stelle. In diesem Bereich kann keine Schätzung der Mehrkosten gemacht werden, weil hierzu auswertbaren Grundlagen fehlen.