Auf den 1. Juli 2014 wurde im Zivilgesetzbuch als allgemeiner Grundsatz die gemeinsame elterliche Sorge eingeführt. Fragt sich, ob es weiterhin möglich ist, dass die Eltern im Scheidungsverfahren einen Antrag auf Alleinerziehung durch einen Elternteil stellen. Das Bundesgericht gibt im Urteil 5A_346/2016 vom 29. Juni 2017 die Antwort.
Der Fall, der ans Bundesgericht gelangte
Ein Elternpaar hatte rund ein Jahr vor dem Inkrafttreten des Grundsatzes der gemeinsamen elterlichen Sorge im Hinblick auf seine Scheidung beim zuständigen Gericht den Antrag gestellt, die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind allein der Mutter zuzuteilen. Das Gericht entsprach dem Antrag 2015 und schied die Ehe. Das Kantonsgericht bestätigte dieses Urteil 2016 auf Beschwerde des Vaters, der nunmehr die Zuteilung der elterlichen Sorge an beide Elternteile gefordert hatte. Der Vater gelangte ans Bundesgericht und machte unter anderem geltend, dass die Zuteilung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach neuem Recht grundsätzlich zwingendes Recht sei. Als Pflichtrecht entziehe sich die elterliche Sorge der Disposition der Eltern. Eine Alleinzuteilung durch den Richter sei nur in den engen Schranken des Gesetzes möglich, namentlich wenn dafür wichtige Gründe vorliegen würden.
«Zuteilung der elterlichen Sorge an nur einen Elternteil ist mit dem neuen Recht nicht grundsätzlich unvereinbar»
Das Bundesgericht weist die Beschwerde des Vaters ab. Ein gemeinsamer Antrag der Eltern auf Zuteilung der elterlichen Sorge an nur einen Elternteil ist mit dem neuen Recht nicht grundsätzlich unvereinbar. Zwar ist das Gericht an einen entsprechenden Antrag der Eltern nicht gebunden. Vielmehr muss es von Amtes wegen prüfen, ob der gemeinsame Antrag auf Alleinzuteilung auch mit dem Kindeswohl vereinbar ist.
Wohl geht der Gesetzgeber davon aus, dass die gemeinsame elterliche Sorge in der Regel dem Kindeswohl entspricht. Das bedeutet allerdings nicht, dass die freiwillige Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts und die Alleinzuteilung das Kindeswohl per se gefährden würde. Es gibt im zu beurteilenden Fall keine Anzeichen dafür, dass das Kindeswohl mit der getroffenen Lösung der Alleinzuteilung der elterlichen Sorge an die Mutter gefährdet sein könnte.