Patchworkfamilien, Konsensualpaare mit Kindern oder Familien mit alleinerziehenden Müttern oder Vätern können bald aufatmen: Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 10. Mai 2017 beschlossen, mit der Modernisierung des Erbrechts vorwärtszumachen. Im Mittelpunkt der Stossrichtung steht die Verkleinerung der gesetzlichen Pflichtteile, damit der Erblasser freier über sein Vermögen verfügen kann.
Anpassung an die heutige Lebensrealität
Mit der Erbrechtrevision, die der Bundesrat am 4. März 2016 in die Vernehmlassung geschickt hat, soll das Erbrecht flexibler ausgestaltet und an die stark geänderte Lebensrealität angepasst werden. Partnerschaften und Familien kennen heute ganz andere Formen als früher. Allein seit 1970 haben sich beispielsweise die Anzahl der Haushalte ohne Kinder sowie die Zahl der Einelternhaushalte mehr als verdoppelt. Ein Viertel der Familienhaushalte mit Kindern unter 25 Jahren entspricht heute nicht mehr der traditionellen Familienform. Es handelt sich bei diesen Familienhaushalten vielmehr um Patchworkfamilien, Konsensualpaare mit Kindern oder Familien mit alleinerziehenden Müttern oder Vätern.
Verkleinerung der gesetzlichen Pflichtteile
Im Zentrum des Vorentwurfs steht deshalb eine Verkleinerung der gesetzlichen Pflichtteile. Der Erblasser kann dann beispielsweise seine faktische Lebenspartnerin oder deren Kinder stärker begünstigen. Zudem würde dadurch die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen erleichtert. Ferner ist im Vorentwurf die Einführung eines sogenannten Unterhaltsvermächtnisses vorgesehen, mit dem unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen die faktische Lebenspartnerin, der faktische Lebenspartner oder die Stiefkinder begünstigt werden können.
Schutz des überlebenden Ehegatten hat viele Verteidiger
Die Vorschläge sind in der Vernehmlassung im Grundsatz positiv aufgenommen worden. Die grosse Mehrheit unterstützt namentlich die höhere erblasserische Verfügungsfreiheit. Allerdings wird die Verkleinerung des Pflichtteils des überlebenden Ehegatten beziehungsweise des überlebenden eingetragenen Partners im Gegensatz zu derjenigen der Nachkommen unterschiedlich beurteilt. Die Verkleinerung des Pflichtteils zulasten des überlebenden Ehegatten wird deshalb bei den weiteren Arbeiten ebenso wie die Streichung des Pflichtteils der Eltern noch einmal kritisch überprüft. Überprüft wird zudem auch, ob es nicht möglich ist, die Unternehmensnachfolge noch weiter zu erleichtern. Die vorgeschlagene Verkleinerung der Pflichtteile der Nachkommen soll demgegenüber in den Entwurf aufgenommen werden.
Unterhaltsvermächtnis soll kommen
Die vorgesehene Einführung des Unterhaltsvermächtnisses wird mehrheitlich begrüsst. Viele Vernehmlassungsteilnehmer erachten sie angesichts des gesellschaftlichen Wandels als notwendigen Fortschritt. Andere sind allerdings insbesondere in Bezug auf dessen konkrete Ausgestaltung skeptisch. Da die Kritik aber weniger dessen grundsätzliche Einführung ins Schweizerische Erbrecht betrifft, soll auch das Unterhaltsvermächtnis in den Entwurf aufgenommen werden. Dessen konkrete Ausgestaltung wird im Lichte der Vernehmlassungsergebnisse jedoch ebenfalls noch einmal überprüft werden.