Für die Festlegung des Invaliditätsgrades von Teilerwerbstätigen soll ab 2018 ein neues Berechnungsmodell eingeführt werden. Die neue Berechnungsart soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und erfüllt auch die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach die Berechnung zur Invaliditätsbemessung nicht diskriminierend ausgestaltet sein darf.
Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung
Für teilerwerbstätige Personen wird der Invaliditätsgrad nach der gemischten Methode festgelegt: Die gesundheitliche Einschränkung im Erwerbsbereich und im Aufgabenbereich wie in Haushalt und Familie wird separat ermittelt. Die Teilzeitarbeit im Erwerbsbereich wird dabei heute überproportional berücksichtigt, was in der Regel zu tieferen Invaliditätsgraden führt, verglichen mit der allgemeinen Methode für vollerwerbstätige Personen. Davon betroffen sind zu einem Grossteil Frauen.
Rüge vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem Urteil vom 2. Februar 2016 diese Berechnungsmethode als diskriminierend bezeichnet. Der Grund: Die Methode benachteiligt Frauen, die nach der Geburt von Kindern ihr Arbeitspensum reduzieren.
Deshalb sollen künftig für die Festlegung des Invaliditätsgrades von Teilerwerbstätigen die gesundheitlichen Einschränkungen in der Erwerbstätigkeit und im Aufgabenbereich wie Haushalt und Familie gleich stark gewichtet werden.
Hypothetische Vollerwerbstätigkeit
Für die Ermittlung des Invaliditätsgrads in Bezug auf die Erwerbstätigkeit soll auf eine hypothetische Vollerwerbstätigkeit abgestellt werden. In Bezug auf den Aufgabenbereich wie Haushalt und Familie soll gleich gerechnet werden wie bei versicherten Personen, die sich vollständig dem Haushalt und der Familie widmen. Damit wird die Haus- und Familienarbeit besser berücksichtigt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert.
Bestehende Renten von Teilerwerbstätigen werden von Amtes wegen überprüft
Mit dem neuen Berechnungsmodell können teilerwerbstätige Personen in Zukunft neu eine höhere Rente erhalten, weil ihr Invaliditätsgrad neu bemessen und berechnet wird. Heute beziehen 16‘200 Personen eine Rente, die gestützt auf die gemischte Methode zugesprochen wurde. Diese Renten werden nach Einführung der neuen Methode von den IV-Stellen von Amtes wegen geprüft werden. Das vorgeschlagene Berechnungsmodell führt zu Mehrkosten für die IV von etwa 35 Millionen Franken pro Jahr.
Etliche bisher rentenlose Personen werden Anspruch auf eine Rente haben
Hinzu kommen ausserdem jene Personen, die aufgrund der bisherigen Anwendung der aktuellen gemischten Bemessungsmethode einen rentenlosen IV-Grad von unter 40 Prozent erreichten und die nun neu Anspruch auf eine Rente hätten. In diesem Bereich kann keine Schätzung der Mehrkosten gemacht werden, weil die hierzu auswertbaren Grundlagen fehlen.
Der Zeitplan der Einführung
Die Vernehmlassung über das neue Berechnungsmodell dauert bis zum 11. September 2017. Die Änderung der Verordnung über die Invalidenversicherung soll dann auf den 1. Januar 2018 in Kraft treten, damit nach der Rüge des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine rasche Klärung der Rechtslage sowie eine einheitliche Anwendung der gemischten Methode sichergestellt werden kann.