Fragen ?
Kontakt

 

Selbstaendig August 16Frage von Dr. E. U. In S.: «Ich habe für den Übertritt in die Selbständigkeit mein Pensionskassenkapital bezogen und zum privilegierten Steuersatz für Vorsogekapitalbezüge besteuert. Jetzt behauptet mein Banker, ich müsse das bezogene Kapital voll besteuern, weil ich es nicht in die Praxis investiert habe, sondern für meinen Lebensunterhalt gebrauche. Stimmt das?»

Das sagt das Gesetz

Artikel 5 des Freizügigkeitsgesetzes über die Barauszahlung von Pensionskassenkapital lautet: «Versicherte können die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn sie die Schweiz endgültig verlassen oder wenn sie eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht mehr unterstehen oder wenn die Austrittsleistung weniger als ihr Jahresbeitrag beträgt.»
Für die Barauszahlung aus der Pensionskasse wegen Selbständigkeit gibt es daher ein zweifaches kumulatives Erfordernis: Die versicherte Person muss wirklich eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen Vorsorge nicht mehr unterstehen. Ein Teilbezug der Vorsorgegelder ist nicht zulässig, das Vorsorgeverhältnis muss vollständig aufgelöst werden. Dann wird die Barauszahlung privilegiert mit dem Vorsorgesteuersatz besteuert.

Das Bundesgericht präzisiert
Fragt sich, ob das bezogene und privilegiert besteuerte Pensionskassenkapital unbedingt in die selbständige Praxis investiert werden muss oder auch einfach für den Lebensunterhalt während des Praxisaufbaus oder anderweitig verwendet werden darf – ohne die privilegierte Besteuerung zu gefährden. Das Bundesgericht hat diese Frage klar beantwortet (BGE 2C_248+249/2015): «Eine rechtliche Verpflichtung zur Investition des freigewordenen Vorsorgegeldes in das Geschäftsvermögen lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Eine solche Bindung würde sich namentlich dann als unzweckmässig erweisen, wenn die Freizügigkeitsleistung als Kompensation für das weggefallene Arbeitseinkommen vorerst für den Lebensunterhalt herangezogen werden muss oder wenn die selbständige Erwerbstätigkeit nur auf wenige Betriebsmittel angewiesen ist. Der Gesetzgeber geht zudem davon aus, dass die selbständig erwerbende Person für die Erhaltung ihres Vorsorgeschutzes selbst verantwortlich ist.»

Ergo: Mit dem bezogenen Kapital kann man machen, was man will
Das bezogene und privilegiert besteuerte Pensionskassenkapital kann daher beim Übergang zu selbständigen Praxis frei verwendet werden. Es gibt keinen Investitionszwang. Einschränkung: Ein Bezug der Vorsorgegelder ist nur innerhalb der ersten zwölf Monate nach Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit möglich.

Es gibt eine Ausnahme
Dieser Grundsatz wird allenfalls durchbrochen, wenn später Kapitalbedarf für eine Betriebsinvestition in die Arztpraxis besteht. Erfolgt der steuerlich privilegierte Bezug der Vorsorgegelder für eine bereits mehr als zwölf Monate laufende selbständige Tätigkeit, sind die Gelder zwingend ins Geschäftsvermögen zu investieren. Im Kreisschreiben Nr. 41 «Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge» der Eidgenössischen Steuerverwaltung steht das so: Selbständig erwerbstätige Personen dürfen während der Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit für Investitionen im Unternehmen einen einmaligen, vorzeitigen privilegiert besteuerten Bezug von Vorsorgegeldern aus der zweiten Säule tätigen. Voraussetzung für den Bezug zugunsten betrieblicher Investitionen ist gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, dass die selbständig erwerbstätige Person den Vorsorgevertrag kündigt und die vertragliche Beziehung mit der Vorsorgeeinrichtung dadurch beendet. Ein Teilbezug ist nicht zulässig. Dieser Vorbezug muss dann zwingend voll in den Betrieb investiert werden.

 

Weitere Optionen