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Selbstandiger April16Frage von Dr. med. R. V. in Z.: «Ich, selbständiger Arzt, will meine Praxis aufgeben und an einem anderen vielversprechenden Ort eine neue Praxis aufbauen. Für die Finanzierung der neuen selbständigen Existenz brauche ich Geld aus meiner freiwilligen Pensionskasse. Ist das möglich?»

Laut Gesetz gibt es keine Vorbezugsmöglichkeit
Eine Selbständigerwerbender ist nicht mehr der obligatorischen beruflichen Vorsorge unterstellt. Er kann aber freiwillig beruflich vorsorgen und Angehöriger einer Pensionskasse sein, wie das hier der Fall ist. Dann gelten die genau gleichen gesetzlichen Bestimmungen wie bei der obligatorischen beruflichen Vorsorge von Lohnabhängigen. Zu diesen Bestimmungen zählt namentlich der Grundsatz: Die in der Pensionskasse angesparten Vorsorgegelder müssen dauerhaft der beruflichen Vorsorge dienen. Vorbezüge eines Teils des angesparten Vorsorgekapitals sind nur im Zusammenhang mit dem Wohneigentum möglich.
Der weitere mögliche Vorbezugsgrund bei obligatorisch versicherten Lohnabhängigen, nämlich der Übertritt in eine selbständige Tätigkeit, fällt hier klar weg, weil der freiwillig pensionskassenversicherte Selbständige ja schon selbständig ist. Die neue Selbständigkeit eröffnet mithin laut Gesetz keine Vorbezugsmöglichkeit.

Präzisierende Bundesgerichtsentscheide
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat diesen gesetzlichen Grundsatz der Nichtzulässigkeit eines Pensionskassenvorbezugs von freiwillig versicherten Selbständigen ausserhalb des Wohneigentums präzisiert.

  • Erlaubte Betriebsinvestition eines selbständigen Bauern
    Das Bundesgericht erlaubte einem selbständigen Bauern, seine freiwillige Pensionskasse zu kündigen und das geäufnete Alterskapital in eine notwendige Betriebsinvestition zu stecken (BGE 134 V 170). Die Pensionskasse hatte die Auszahlung wegen der gesetzlichen Zweckbindung des Kapitals für die Vorsorge verweigert. Die obersten Richter erwägten jedoch, für den klagenden Bauer sei die Erneuerung seiner veralteten Raufutteranlage eine klassische betriebliche Investition. Diese diene der Erhaltung des Betriebs und letztlich auch der Existenzsicherung im Sinne der beruflichen Vorsorge. Zudem könne in diesem Fall ein Missbrauch wie beispielsweise eine reine Steuerumgehungstransaktion ausgeschlossen werden.
  • Urteil im Fall eines Gynäkologen
    Das Bundesgericht verwehrte einem selbständigen Gynäkologen, 200‘000 Franken seines viel grösseren Alterskapitals in der freiwilligen Pensionskasse vorzubeziehen und damit einen Investitionskredit für seine Praxis zurückzuzahlen (BGE 9C_301/2009). Auch hier geht es eindeutig um betriebsnotwendige Investitionen. Aber es besteht laut den obersten Richtern ein erheblicher Unterschied zum Bauern mit der zu erneuernden Raufutteranlage: Der Arzt will seine freiwillige Pensionskasse nicht kündigen, sondern nur einen teilweisen Vorbezug seines Alterskapitals für eine betrieblich notwendige Investition tätigen. Vertraglich kann ein solcher Teilbezug aus der Pensionskasse nicht geregelt werden, entscheidend ist einzig und allein das Gesetz. Und da stellt das Bundesgericht klipp und klar fest: Von Gesetzes wegen ist auch bei freiwillig versicherten Pensionskassenangehörigen nur bei der Wohneigentumsförderung ein teilweiser Vorbezug gebundener Vorsorgemittel möglich. Dagegen ist auch bei selbständigen Tätigkeit eine teilweise Barauszahlung für Betriebszwecke nicht vorgesehen. Ein Anspruch auf die Austrittsleistung wird nur erworben, wenn das freiwillige Vorsorgeverhältnis beendet wird. Aus diesem Grund kann in den Bedingungen des Vorsorgevertrags ein teilweiser Bezug für betriebliche Investitionen nicht vereinbart werden.


Was gilt?
Aufgrund der zwei Bundesgerichtsentscheide gilt: Freiwillig in einer Pensionskasse versicherte Selbständige wie Ärztinnen und Ärzte können für notwendige Betriebsinvestitionen das gesamte geäufnete Alterskapital nur dann beziehen, wenn sie den Vorsorgevertrag mit der Pensionskasse auflösen und aufgrund der Sachlage ein Missbrauch wie eine reine Steuerumgehungstransaktion ausgeschlossen sind. Ein Teilbezug des Alterskapitals für Betriebszwecke unter Aufrechterhaltung des Vorsorgeverhältnisses ist auf jeden Fall unzulässig.



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