«Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.» Am 15. Januar 2015 hat uns die Aufhebung der Eurokursuntergrenze durch die Nationalbank den Wahrheitsgehalt dieses Spruchs deutlich vor Augen geführt. Hoffen wir, dass wir 2016 keine böse Überraschung ähnlichen Ausmasses erleben. Zumal es im Bereich der Geldanlage so oder so weiterhin sehr schwierig bleibt. Doch mit einem Geschenk können wir als Eigentümer von Wohneigentum, Bankkonten, Rentenansprüchen und andern Nominalwerten mit grosser Wahrscheinlichkeit rechnen: Inflation und Zinsen bleiben historisch tief.
US-Zinswende eingeläutet
Keine Überraschung am 17. Dezember 2015 kurz vor der Feiertagspause: Das Fed, die von Janet Yellen präsidierte US-Notenbank, hat die Dollar-Leitzinsen von 0 bis 0,25 auf 0,25 bis 0,50 Prozent erhöht. Das ist die erste Zinserhöhung seit Mitte 2006 und nach sieben Jahren der Nullzinspolitik.
Niemand will eine zu starke Währung
Fragt sich, wie es im angelaufenen neuen Jahr 2016 nach der Einleitung der amerikanischen Zinswende weitergeht. Weil neben den Euroländern und der Schweiz auch Japan und die von China angeführten Schwellenländer keinen Gedanken an den Ausstieg aus der Billiggeldpolitik verschwenden, ist die US-Minizinswende ein ziemlich isoliertes Unterfangen. Es besteht höchstwahrscheinlich genügend Gegendruck gegenüber der amerikanischen Geldpolitik, um das internationale Zinsgefüge zu deckeln. Die Zinsen bleiben somit tief. Dies zumal auch darum, weil kaum Inflationsdruck auszumachen ist. Zudem wächst die Weltwirtschaft wegen industrieller Überangebote und schleppender Nachfrage nur bescheiden. Und fast überall, auch in der Schweiz, wird ein «möglichst exportfreundlicher», schwächerer Kurs der Heimwährung angestrebt: Niemand will eine zu starke Währung. Das ist mit einseitig steigenden Zinsen nicht zu erreichen. Ergo: Inflation und Zinsen bleiben historisch tief.
Segensreiche Negativinflation
Es stimmt: Wegen der geldpolitisch bedingten Negativzinsen auf Nationalbankeinlagen müssen sich die Schweizer Sparerinnen und Sparer auf ihren Geldanlagen mit sehr bescheidenen oder sogar Nullrenditen abfinden. Bei diesem Befund geht aber leicht vergessen: Ein guter Teil der Sparerinnen und Sparer sind auch Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohneigentum und andern Immobilien. In diesem Bereich wird von den tiefen Hypothekarzinsen mächtig profitiert. Man spart viel Zinsgeld und kann es anderweitig einsetzen. Kommt dazu: Dank der in der Schweiz auch 2016 höchstwahrscheinlich anhaltenden Negativinflation gewinnen alle Nominalwerte an realem Wert. Man kann sich im Zeitablauf mit jedem Franken mehr leisten. Das betrifft namentlich Bargeld, Geld auf Bankkonten, Lohn- und Rentenansprüche aller Art. Aus dieser Sicht ist die Negativinflation eine segensreiche Erscheinung, für die man dankbar sein sollte.
Aussichten 2016 für Aktien
Die Grosswetterlage für die Aktien wird sich nicht grundsätzlich ändern. Ein moderates Weltwirtschaftswachstum ohne Rezession, billiges Kapital und kaum aussichtsreiche Anlagealternativen mit einer vernünftigen Risikoentschädigung schaffen weiterhin ansprechende Rahmenbedingungen für die Beteiligungspapiere. Wie bisher werden allerdings laufend phasenweise in den Vordergrund tretende geldpolitische und geopolitische sowie wirtschaftliche Überraschungen und Unsicherheitsfaktoren heftige, die Nerven strapazierende Kursschwankungen verursachen. Zudem ist vermehrt die Bewertung unter die Lupe zu nehmen: Rückgänge im Gewinnwachstum erhöhen die Anfälligkeit für Gewinnmitnahmen und fundamentale Kurskorrekturen einzelner Titel und Branchen.
Aussichten 2016 für Obligationen
Wegen des erwarteten Fortgangs der tiefen Zinsen bleiben die Anlagen in Obligationen eine grosse Herausforderung. Dies auch darum, weil Kurgewinne aufgrund noch weiter sinkender Zinsen beim erreichten Tiefstniveau kaum mehr möglich sind. Auf höherverzinste Risikoanleihen oder Fremdwährungsanleihen auszuweichen, sollte nur im Rahmen einer durchdachten Diversifikationsstrategie mit einer entsprechenden Risikopolitik erfolgen. Da kann dann auch erwogen werden, ob das persönliche Risikobudget im Rahmen der Risikoneigung doch nicht besser mit Aktien oder andern riskanteren Anlagen wahrgenommen werden soll.