Frage von Dr. med. U. S. in S.: „Meine 20-jährige Tochter studiert. Im hoffentlich nie eintretenden Invaliditätsfall möchte ich, dass sie über eine genügende Rente verfügt. Deshalb will ich ihr Erwerbsunfähigkeitsrisiko zusätzlich zur staatlichen Versicherung privat absichern. Auf was muss ich achten?“
Antwort: Das staatliche soziale Netz der Schweiz greift auch bei erwerbsunfähigen Studentinnen und Studenten. Personen, die vor der Vollendung des 25. Altersjahrs invalid werden, gelten als Frühinvalide. Weisen sie eine vollständige Beitragsdauer auf, beträgt ihre volle Invalidenrente mindestens 133 1/3 % des Mindestbetrags – ab 2015 sind das 1‘567 Franken pro Monat. Voraussetzung dafür ist: Schweizerische und ausländische Studierende mit zivilrechtlichem Wohnsitz in der Schweiz müssen ab dem 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahrs den Mindestbeitrag an die AHV, IV und EO in der Höhe von 480 Franken jährlich zahlen. Ab dem 1. Januar nach Vollendung des 25. Altersjahres haben nichterwerbstätige Studierende die Beiträge dann aufgrund ihrer sozialen Verhältnisse und nicht mehr den Mindestbeitrag zu bezahlen.
Anspruch auf Ergänzungsleistungen
Es gibt die Möglichkeit, für das Erwerbsunfähigkeitsrisiko wegen Invalidität zusätzlich zur staatlichen Rente einen privaten Rentenzustupf zu versichern. Die Frage ist nur: Ab welchem Betrag lohnt es sich, eine solche private Rente zu kaufen? Für die Antwort muss man das Zusammenspiel von IV, Ergänzungsleistungen und privater Rentenversicherung unter die Lupe nehmen.
Die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV helfen dort, wo die Renten und das übrige Einkommen nicht die minimalen Lebenskosten decken. Auf die Ergänzungsleistungen besteht ein rechtlicher Anspruch: Alle Personen, die eine Rente der AHV oder der IV beziehen, können sie geltend machen.
Private Renten werden als Einkommen angerechnet
Bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen werden private Renten voll als Einkommen angerechnet. Ein Beispiel: Eine erwerbslose Studentin wird vor ihrem 25. Altersjahr frühinvalid mit einer vollen IV-Rente. Das IV-Renteneinkommen beläuft sich dann auf zwölf mal 1,567 Franken, ergibt 18‘804 Franken. Ab 2015 dürfen für den allgemeinen Lebensbedarf 19‘290 Franken geltend gemacht werden. Dazu kommen beispielsweise 10‘000 Franken für den Mietaufwand und 5‘000 Franken für die Krankenkasse. Die für die Ergänzungsleistungen geltend zu machenden Gesamtausgaben belaufen sich mithin auf 34‘290 Franken (19‘290 plus 10‘000 plus 5‘000). Der Anspruch auf Ergänzungsleistungen berechnet sich aus den Ausgaben minus die Einkünfte: 34‘290 minus 18‘804 ergibt 15‘486 Franken pro Jahr. Das ergibt monatliche Ergänzungsleistungen von 1‘290 Franken. Besteht nun eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung von beispielsweise 18‘000 Franken pro Jahr, wird diese bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen den Einkünften hinzugerechnet: 18‘804 plus 18‘000 ergibt 36‘804 Franken. Damit entfällt der Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Der Einkommensgewinn beläuft sich aber nicht auf 18‘000 Franken pro Jahr, sondern nur auf 2‘514 Franken pro Jahr (36’804 minus 34’290).
Ergo: Will man im Hinblick auf den Invaliditätsfall ein wirklich spürbares Einkommen versichern, muss das bei erwerbslosen Studentinnen und Studenten ziemlich hoch veranschlagt werden, damit im Vergleich zum Bezug allfälliger Ergänzungsleistungen ein „richtiger“ Einkommenseffekt erzielt wird. Versicherte Rentenbeträge bis zur Höhe der möglichen Ergänzungsleistungen sind Doppelversicherungen.
Verhältnisse der Angehörigen spielen keine Rolle
Bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen werden die finanziellen Verhältnisse der bei der Invalidenversicherung versicherten und ergänzungsleistungsberechtigten Person unabhängig von ihrem Umfeld einbezogen. Die finanziellen Verhältnisse von Angehörigen spielen keine Rolle und auch allfällige Verwandtenunterstützungen, Stipendien oder andere Unterstützungsbeiträge für die Ausbildung werden nicht als Einkommen angerechnet.
Vermögen
Verfügt die Person über ein mobiles Vermögen von über 37‘500 Franken, wird bei der Ergänzungsleistungsberechnung ein Vermögensverzehr als Einkommen miteinbezogen. Dieser beträgt ein Fünfzehntel des Gesamtvermögens minus 37‘500. Im Falle von Immobilienbesitz wird vom Steuerwert ein Freibetrag von 112'500 Franken abgezogen und nur der Rest für die Bestimmung des Vermögensverzehrs berücksichtigt.